Das Bürgerliche Trauerspiel ist eine bedeutende Dramenform des 18. Jahrhunderts. Es ist geprägt von einer Abkehr vom höfischen Drama und rückt stattdessen das Schicksal von bürgerlichen Personen in den Mittelpunkt. In diesem Beitrag erfährst du, was ein Bürgerliches Trauerspiel ist, welche Themen es behandelt und wie du diese Dramenform erkennen kannst. Wir geben dir Beispiele für das bürgerliche Trauerspiel und nennen dir wichtige Werke.
Definition des Bürgerlichen Trauerspiels
Das Bürgerliche Trauerspiel ist eine spezielle Form des Dramas, die im 18. Jahrhundert entstand. Im Mittelpunkt stehen das Leben und die Probleme bürgerlicher Familien. Im Gegensatz zur traditionellen Tragödie treten keine adeligen Helden auf, sondern gewöhnliche Bürger. Die Stücke behandeln oft Themen wie soziale Ungerechtigkeit, persönliche Freiheit und moralische Konflikte. Wichtige Werke sind „Emilia Galotti“ von Lessing und „Kabale und Liebe“ von Schiller.
Bürgerliches Trauerspiel – Entstehung und zeitliche Einordnung
Das Bürgerliche Trauerspiel hat seine Ursprünge im 17. Jahrhundert. In England führte man in dieser Zeit tragische Mordgeschichten auf, die in bürgerlichen Familien stattfanden. Man bezeichnete diese Theaterstücke als domestic tragedy.
Im deutschen Theater herrschte lange das Gesetz der Ständeklausel. Strikt lehnte man die Tragik des Bürgertums ab, da die Meinung vorherrschte, dass die Fallhöhe des einfachen Menschen niedriger als die des Adels sei. Das einfache Volk sei der Tragik nicht fähig.
Mit der Epoche der Aufklärung, die von Vernunft, Wissenschaft und dem Wunsch nach gesellschaftlichen Reformen geprägt war, stieg das Selbstwertgefühl des Bürgertums. Das Bürgertum stieg auf und es entstand eine neue bürgerliche Hochkultur. Das Leben, die Werte und Konflikte des bürgerlichen Menschen wurden plötzlich interessant und bühnenreif im Bürgerlichen Trauerspiel verpackt.
Der Beginn dieser Dramenform wird oft mit dem Stück Miss Sara Sampson (1755) von Gotthold Ephraim Lessing in Verbindung gebracht. Genauso relevant waren seine Hamburgische Dramaturgie 1767 und Emilia Galotti. Der Höhepunkt der Gattung Bürgerliches Trauerspiel liegt im späten 18. Jahrhundert.
Bürgerliches Trauerspiel – Merkmale
Ein Bürgerliches Trauerspiel erkennst du an verschiedenen typischen Merkmalen:
- Alltägliche Figuren: Im Mittelpunkt stehen Menschen des Bürgertums, die nicht zum Adel gehören.
- Moralische Konflikte: Häufig geht es um Fragen von Ehre, Pflicht und moralischer Integrität mit einem tragischen Ende.
- Gesellschaftskritik: Das Bürgerliche Trauerspiel übt Kritik an sozialen Ungerechtigkeiten und der starren Ständegesellschaft.
- Offene Dramenform: Die Einheit von Zeit, Ort und Handlung wurde aufgelöst. Man begann mehr als einen Zeitraum, einen Ort und einen Handlungsstrang zu nutzen. Die Anzahl ist beliebig.
- Gefühlsbetontheit: Emotionen spielen eine zentrale Rolle, besonders Leid und Mitleid der Zuschauerinnen und Zuschauer.
- Sprachliche Besonderheit: Prosaform
Themen und Inhalte des Bürgerlichen Trauerspiels
Die Themen des Bürgerlichen Trauerspiels drehen sich häufig um familiäre Konflikte, Liebe, Ehre und moralische Entscheidungen. Es geht um das Spannungsfeld zwischen persönlichen Wünschen und gesellschaftlichen Normen. Ein zentrales Thema ist die Unmöglichkeit der Liebe zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten.
Typische Inhalte sind:
- Familienkonflikte: Spannungen zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Ehepartnern
- Standesunterschiede: Die unmögliche Liebe zwischen Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten
- Gesellschaftskritik: Hinterfragen von autoritären Strukturen, insbesondere des Adels
- Tugend und Moral: Die Frage, wie man in einer korrupten Welt ein aufrechtes Leben führen kann
Bürgerliches Trauerspiel – Wichtige Vertreter und Werke
Zu den wichtigsten Vertretern des Bürgerlichen Trauerspiels gehört Gotthold Ephraim Lessing, dessen Werk Emilia Galotti (1772) als eines der bekanntesten Beispiele gilt. Ein weiteres bedeutendes Werk ist Kabale und Liebe (1784) von Friedrich Schiller. Beide Stücke verdeutlichen die typischen Merkmale des Bürgerlichen Trauerspiels und sind zentrale Werke des deutschsprachigen Theaters.
Emilia Galotti von Gotthold Ephraim Lessing
Emilia Galotti ist eines der wegbereitenden Stücke des Bürgerlichen Trauerspiels. Es gibt jedoch Entwicklungen in dem Drama, die diese Einordnung anzweifeln. Zwar wird eindeutig der Konflikt zwischen Bürgertum und Adel dargestellt, aber das Bürgertum wird nicht idealisiert. Die Tugenden des Bürgertums werden sogar kritisch beäugt. Es ist fraglich, ob das Publikum sich tatsächlich mit dem Geschehen und den Figuren identifiziert. Aus diesem Grund entschied man sich für die Lösung, dass das Stück als Bürgerliches Trauerspiel beginnt, doch als politisches Drama endet.
Kabale und Liebe von Friedrich Schiller
Friedrich Schiller kennzeichnet mit dem Untertitel Ein bürgerliches Trauerspiel sein Werk Kabale und Liebe vorzeitig, wobei Kriterien gegen die Bezeichnung sprechen. Konflikte entstehen ebenfalls aufgrund der Charakterzüge einzelner Figuren, was unüblich für ein Bürgerliches Trauerspiel ist. Des Weiteren nimmt der religiöse Bezug eine ungewohnte Rolle ein, da die Lösung des Konflikts das Jenseits darstellt.
Dennoch darf Kabale und Liebe als Bürgerliches Trauerspiel bezeichnet werden: Im Drama wird ein Ständekonflikt behandelt, da die Bürgerfamilie durch die Intrigen des Adels bedroht wird. Es wird Kritik an der Ständeordnung und am korrupten Adel geübt. Zudem weisen die Hauptfiguren eindeutige Parallelen zu Lessings Emilia Galotti auf, da sich eine bürgerliche Familie der missbrauchten Macht des Adels ausgesetzt sieht.
Tipp: Wie du anhand der zwei vorgestellten Beispiele merkst, ist die genaue Einordnung eines Bürgerlichen Trauerspiels auf den ersten Blick manchmal nicht eindeutig. Wichtig ist, dass du dir die einzelnen Kennzeichen merkst, welche das Bürgerliche Trauerspiel charakterisieren. Auf diese Weise kannst du leichter differenzieren, welche Merkmale dafür und dagegen sprechen.
Zusammenfassung
Das Bürgerliche Trauerspiel ist eine literarische Gattung, die tief in die gesellschaftlichen und moralischen Konflikte des 18. Jahrhunderts eintaucht. Mit seinen realistischen Darstellungen und seiner Kritik an sozialen Missständen hat es nicht nur die Dramenliteratur nachhaltig beeinflusst, sondern auch den Weg für spätere Entwicklungen in der Literatur bereitet. Werke wie Emilia Galotti oder Kabale und Liebe sind bis heute relevant und inspirieren Leserinnen und Leser, über die gesellschaftlichen Strukturen und menschlichen Werte nachzudenken.