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Analysierst du noch oder interpretierst du schon? Die Interpretation eines Gedichts geht über die reine Analyse hinaus. Dieser Beitrag zeigt auf, wie du einen Deutungsansatz entwickeln kannst und schließlich eine flüssig lesbare Gedichtinterpretation schreibst.
Bei der Analyse eines Gedichts „zerlegst“ du einen lyrischen Text in seine Bestandteile. Bei der Gedichtinterpretation setzt du die Ergebnisse aus deiner Analyse zusammen, stellst übergeordnete Bezüge her und nimmst das Textganze in den Blick. Es kommt darauf an, einen Deutungsansatz zu entwickeln. Manchmal liefert die Aufgabenstellung bereits ein Stichwort, unter welchem Aspekt ein Gedicht gedeutet werden kann. Enthält die Aufgabe keinen solchen Hinweis, musst du selbst Schwerpunkte bei der Interpretation setzen. Wie du den richtigen Ansatz findest, erklärt dir dieser Beitrag.
Wie interpretiere ich ein Gedicht? Einen Deutungsansatz entwickeln
Bei der Analyse eines Gedichts beschäftigst du dich intensiv mit dem Text. Du betrachtest sprachliche und formale Gestaltungselemente und setzt diese mit dem Inhalt des Textes in Beziehung. Um einen Deutungsansatz zu entwickeln, solltest du dich aber ein Stück weit vom Text lösen. Denn nun kommt es darauf an, übergeordnete Zusammenhänge herzustellen.
Stelle dir selbst die Frage: Was ist das Besondere an dem Gedicht?
Die Antwort auf diese zentrale Frage liefert dir einen möglichen Deutungsansatz. Die folgenden Vorschläge können dich bei der Beantwortung dieser Frage weiterbringen.
Geht es im Text beispielsweise um die Trennung eines Liebespaars, frage dich ganz allgemein:
- Welche Gründe gibt es für Trennungen?
- Welche Gefühle sind oftmals mit Trennungen verbunden?
- Wie reagieren Menschen auf Trennungen?
Bestimmt löst der Titel eines Gedichts Assoziationen bei dir aus. Nimm dir die Zeit, diese Assoziationen zu sammeln, und überlege dir anschließend, welche Erwartungen der Titel des Gedichts auslöst. Bricht das Gedicht mit diesen Erwartungen oder nicht?
Bei der Vorbereitung auf die Gedichtinterpretation beschäftigst du dich mit vielen lyrischen Texten. Nutze dieses Vorwissen! Liegt dir in einer Prüfung beispielsweise ein Naturgedicht vor, versuche dich an Gedichte zu erinnern, die etwas mit Naturlyrik zu tun haben. Wie wurde Natur in diesen Texten dargestellt – als Schutzraum, als Bedrohung, als Spiegel für seelische Vorgänge?
Wenn es sich anbietet, bringe dein Hintergrundwissen zur Literaturgeschichte ein. Prüfe, ob du im Gedicht gehäuft Merkmale einer bestimmten literarischen Strömung oder Tradition entdeckst. Vielleicht geht aus der Aufgabenstellung explizit hervor, dass du literaturgeschichtliche Bezüge herstellen sollst.
Wie bringe ich meine Gedichtinterpretation zu Papier? Die Lösung schreiben
Bevor du deine Lösung schreibst, solltest du dich im Rahmen der Analyse intensiv mit dem Gedichttext beschäftigt haben. Nach der Bearbeitungsphase heißt es erst einmal durchatmen, kurz Pause machen, sich gedanklich sortieren. Für die Abfassung der Lösung ist noch einmal eine Kraftanstrengung nötig. Das Schreiben wird dir aber umso leichter fallen, je sorgfältiger du das Gedicht im Vorfeld bearbeitet hast.
Diese Bücher machen dich fit für die Gedichtinterpretation
Was ist der typische Aufbau einer Gedichtinterpretation?
Jedes Gedicht ist anders. Bei Analyse und Interpretation sind daher eigene Zugangsweisen und Schwerpunktsetzungen erforderlich. Dies beeinflusst auch die Gliederung deines Aufsatzes. Die Aufgabenstellung bestimmt maßgeblich den Aufbau deiner Lösung. Grundsätzlich teilst du deine Lösung in Einleitung, Hauptteil und Schluss ein.
Aufsatzteil | Inhalt / Funktion |
---|---|
Einleitung |
|
Hauptteil |
|
Schluss | Abrundung der Ausführungen durch …
|
Was ist beim Schreiben der Lösung zu beachten?
Stell dir vor, du bittest eine*n Freund*in, deine Gedichtinterpretation zu lesen. Würde er*sie all deine Gedankengänge nachvollziehen können? Je klarer du dich ausdrückst, desto verständlicher ist dein Aufsatz. Achte insbesondere bei der Detailanalyse der Einzelverse darauf, den folgenden Dreischritt einzuhalten:
- Benennen des Stilmittels
- Zitat und Einordnung in den Kontext
- Deutung: Darlegen der Wirkung oder der Absicht
Die Reihenfolge dieser drei Elemente spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du korrekt zitierst, die sprachlichen Mittel treffend bezeichnest und deren Wirkung verständlich erklärst. Hier ein Beispiel aus einer Interpretation zu Andreas Gryphiusʼ Gedicht „An die Sternen“.
Element | Beispiel |
---|---|
Stilmittel | Damit ist der Blick weiterhin nach oben gerichtet, dem Bild der personifizierten Sterne folgend, auf die Hüter einer Stadt. |
Zitat | Das lyrische Ich spricht auch zu Beginn der zweiten Strophe zu den Sternen und redet sie als „Ihr Wächter“ (V. 5) an. |
Wirkung/Absicht | Diese warnen, hoch oben auf einer Zinne postiert, vor möglichen Gefahren. Der Sprecher weist den Sternen also eine Schutzfunktion zu. |
Für das Verfassen von Gedichtinterpretationen solltest du dir einen bestimmten Wortschatz aneignen. Im Rahmen der Analyse musst du viele Fachbegriffe nennen, Zitate in deinen Text einflechten und die Wirkung sprachlicher Mittel auf nachvollziehbare Weise entfalten. Dein Text soll dabei verständlich und flüssig lesbar bleiben. Das ist gar nicht so einfach. Die folgende Übersicht hilft dir dabei, passende Formulierungen zu finden:
Formulierungshilfen für die Analyse und Interpretation von Gedichten
- Dies ist ein Ausdruck für / bringt zum Ausdruck
- Dadurch wird deutlich …
- Das zeigt sich in …
- Dies spiegelt … wider
- … ist geprägt von …
- Dadurch wird hervorgehoben / bekräftigt …
- Es entsteht der Eindruck …
- Damit wird suggeriert …
- Dadurch wird nahegelegt …
- Das deutet darauf hin …
- Dies kontrastiert mit …
- Eine Unregelmäßigkeit besteht in …
- Einen Gegensatz bilden …
- Der Wechsel zeigt sich in …
- … markiert einen Bruch / eine Zäsur
- Es werden Assoziationen an … geweckt
- Durch Anklänge an …
- Hier wird angespielt / verwiesen auf …
- Dadurch wird eine Referenz zu … hergestellt
- Dies erinnert an …
Im Aufsatz werden Stilmittel häufig in Form eines Nomens benannt, z. B. Hyperbel, Metapher, Personifikation. Manchmal
ist es jedoch eleganter, das Nomen durch ein entsprechendes Adjektiv oder Partizip zu ersetzen, z. B. hyperbolisch, metaphorisch oder personifiziert.
Wie bereite ich mich auf die Gedichtinterpretation vor? Allgemeine Tipps
- Beschäftige dich bei der Vorbereitung auf das Abitur mit Gedichten aus verschiedenen Epochen. Die Themen und Motive, die in Gedichten behandelt werden, sind oftmals kennzeichnend für eine bestimmte literarische Strömung. Wenn du dich intensiver mit Gedichten aus verschiedenen Zeiten auseinandersetzt, erweiterst du gleichzeitig dein Wissen über die Literaturgeschichte.
- Achte darauf, dass du im Vorfeld der Prüfung unterschiedliche Gedichtarten behandelt hast. Gedichte unterscheidet man nicht nur im Hinblick auf Formen (z.B. Sonett oder Elegie), sondern auch in Bezug auf das Thema (z. B. Liebeslyrik oder Naturlyrik). Wenn du Hintergrundwissen zu verschiedenen Gedichtarten mitbringst, kannst du das Gedicht besser einordnen. Entsprechende Fachliteratur kann hierbei weiterhelfen.
- Nutze von Expertinnen und Experten ausgearbeitete Lösungen, um deinen Wortschatz zu erweitern und deinen Ausdruck zu schulen. Markiere hierzu hilfreiche Formulierungen und notiere diese auf einem eigenen Merkblatt.